Adventfenster 11
DAS NEUGIERIGE SCHNEEGLÖCKCHEN
Wie immer warteten die Schneeglöckchen darauf, endlich von der warmen Frühjahrserde wachgeküsst zu werden und ans Licht zu dürfen. Die endlose Warterei war teilweise sehr mühsam und langweilig. Dennoch verharrten sie weiter in diesem Zustand, brav und geduldig.
Nur ein Schneeglöckchen, Lucia, hatte urplötzlich das Gefühl, sie sollte nicht weiter warten, sondern alle Kräfte daran setzen, nach oben zu kommen. Sie konnte es nicht erklären, aber irgendetwas in ihr drängte danach. Die anderen mahnten zur Vorsicht und versuchten, sie davon abzubringen. Lucia gab sich etwas Zeit, hörte in sich hinein. Immer und immer wieder vernahm sie das Flüstern ihres Herzens und so beschloss sie, sich doch auf den Weg zu machen. Gegen die Angst. Gegen das Gerede der anderen. Sie konnte die anderen verstehen, aber sie musste eben ihren ganz eigenen Weg gehen. Sie drückte ihre Freunde ganz fest und sammelte dann alle Kräfte, allen Mut, um zu wachsen und nach oben zu kommen. Es war anstrengend. Sehr anstrengend, vor allem, weil zuerst niemand in der Nähe schien, der ihr helfen konnte. Aber so nach und nach tauchten ein paar unerwartete Regentropfen, ein freundlicher Regenwurm, eine lustige Ameise und noch viele andere Begleiter auf.
Lucia schloss neue Freundschaften und die Zeit verging. Eines Morgens durchbrach sie das Erdreich, wuchs weiter und öffnete schließlich ihre Blüte. Ein unglaubliches Strahlen erfasste sie. Ein wunderschönes Gefühl. Alles in ihr und um sie war erfüllt von Licht. Dann erst sah sie, dass es nicht das erwartete Strahlen der Sonne war, nein, es waren die Millionen Sonnenstrahlen, die sich im Schnee widerspiegelten und wie Glücksfunken ihr Herz eroberten. Sie hatte es geschafft, sogar noch den letzten Schnee zu sehen, das würde ihren Freunden unter der Erde leider verborgen bleiben. Dennoch sahen diese später das Wunder in ihren Augen und wussten- Manchmal lohnt es sich, eigene Wege zu gehen, der Stimme des Herzens zu vertrauen.